Betrachtungen zur Wiener Gemeinderatswahl – Ansichtssache

Rund 1,14 Millionen Wiener waren heute aufgerufen einen neuen Gemeinderat für die Bundeshauptstadt zu wählen. Ich hatte mit Vivienne im Vorfeld vereinbart, dass wir beide am Wahlabend jeweils in unseren Kolumnen in der Bohnenzeitung das Wahlergebnis betrachten wollen.

Die jüngsten Umfragen hätten vorhergesagt, dass die bisherige absolute Mehrheit der SPÖ stark wackeln würde und die FPÖ, die im Wahlkampf in gewohnter Weise auf Populismus gesetzt hatte, stark zulegen würde. Für die ÖVP und die Grünen wurden geringe Verluste prognostiziert.

Da ich als Wiener den Wahlkampf in den letzten Wochen selbst miterleben durfte möchte ich euch gerne einige wenige Einblicke dazu verraten. Gleich vorweg möchte ich sagen, daß ich den Wahlkampf als äußerst inhaltsschwach erlebt habe – und Umfragen belegen auch, daß dies bei der überwiegenden Mehrzahl der Wähler so wahrgenommen wurde.

• Die bisher mit absoluter Mehrheit regierende SPÖ setzte voll auf ihren amtierenden Bürgermeister Michael Häupl. „Weil er Wien auch in schwierigen Zeiten sicher führt“ war einer der zentralen Slogans ohne ein allzu heißes Eisen in den Wahlkampf eingebracht zu haben.
• Die ÖVP unter Christine Marek setzte in ihren Botschaften alles daran, daß die absolute Mandatsmehrheit der SPÖ gebrochen , zugleich aber eine rot-grüne Koalitionsregierung verhindert werden müsse. Politische Botschaften bezogen sich unter anderem auf „Gemeinschaftsarbeit für Langzeitarbeitslose“ und Deutschkurse für Zuwanderer.
• Die FPÖ hat einen eher populistischen Wahlkampf betrieben, der stark oder fast ausschließlich auf das Thema der Ausländerintegration beschränkt war und großteils darauf ausgerichtet war niedere Instinkte anzusprechen. Mit dem Slogan „Weil ich an euch glaube“ lächelte Parteichef Heinz-Christian Strache zuletzt von den Wahlplakaten.
• Die Grünen positionierten ihre Frontfrau Maria Vassilakou mit Botschaften rund um Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und einer Jahreskarte für die öffentlichen Verkehrsbetriebe um € 100,00.

Am Rande waren noch Kundgebungen der Kleinparteien BZÖ und KPÖ wahrzunehmen, denen aber auch in den Umfragen keine Chance auf einen Einzug in den Gemeinderat eingeräumt wurde . Es ist nun kurz nach 17.00 Uhr und ich habe mich im „Cafe Steiner“ eingefunden wo ich gemeinsam mit einigen Stammgästen auf die erste Hochrechnung warte die im ORF übertragen wird.

Es ist also soweit, die erste Hochrechnung zeigt durchaus eine gewisse Übereinstimmung mit den Umfrageergebnissen. Die SPÖ verliert die absolute Mehrheit, bleibt aber mit 44,5% stimmenstärkste Partei. Stark zulegen kann die FPÖ unter H.C.Strache mit einem Plus von 12 Prozentpunkten auf 27,2%. Die ÖVP verliert relativ stark auf 13%, die Grünen verlieren ebenso auf 12,1%.

Das persönlich gesteckte Wahlziel hat damit nur die FPÖ erreicht, auch wenn sie voraussichtlich wohl auf der Oppositionsbank verbleiben wird da niemand mit ihr koalieren wird. Wir können davon ausgehen dass die SPÖ demnächst in Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP treten wird, wobei es eine solche Koalition in Wien auch schon mal gegeben hat. Unabhängig von jeder Parteipräferenz ziehe ich Koalitionsregierungen einem absoluten Mehrheitenverhältnis in der Regel vor. Aus dieser Sicht kann ich mit dem Wahlergebnis gut leben, auch wenn mir die teilweise zu erwartenden Zugewinne der FPÖ nicht ganz egal sind.

Pedro

Schreibe einen Kommentar