Das Chattertreffen – Geschichten aus dem Cafe Steiner

Als ich vorige Woche einen Abstecher ins „Cafe Steiner“ unternahm erzählte mir Kellner Martin, dass am kommenden Freitag erstmals ein Chattertreffen im Lokal stattfinden würde. Ein Gast, Walter, hatte den großen Nebenraum des Lokals reserviert um erstmals selbst ein solches Treffen organisieren zu können. Ein klein wenig wurden bei mir Erinnerungen an meine kurze und schon lang zurückliegende Chatter-Karriere wach. Das einzige Chattertreffen, dass ich selbst jemals besucht hatte Anfang 1999 in Himberg stattgefunden – ich verlor dann aber recht bald das Interesse am klassischen Internet-Chat, wahrscheinlich erschien mir die Welt doch ein wenig zu künstlich.

Aus einer seltsamen Neugierde heraus wollte ich es mir dann am Freitag aber doch nicht nehmen lassen das „Cafe Steiner“ zu besuchen – nicht um am Chattertreffen teilnehmen, es ging mir vielmehr darum einige Beobachtungen anstellen zu können. Als ich kurz vor 19.00 Uhr das Lokal betrat fielen mir schon zwei Gäste an der Schank auf, die ich bisher noch nie hier gesehen hatte. Der Start für das Treffen war für 19.30 Uhr angekündigt und allmählich trafen auch die Teilnehmer ein und wurden von Martin informiert, dass das Treffen im Nebenraum stattfinden würde. Kurz vor dem offiziellen Start kam auch Walter angereist.

Der Abend im „Cafe Steiner“ verlief ansonst in gewohnter Weise, selbst war ich in schon leicht philosophisch angehauchte Diskussionen mit Jürgen versunken. Von dem im Lokal stattfindenden Chattertreffen bekamen wir an der Schank praktisch nichts mit. Josef fragte diesbezüglich zwar mal in die Runde, ob jemand Geburtstag hätte. Martin klärte ihm dann darüber auf, dass es sich dabei um ein sogenanntes Chattertreffen handeln würde. Josef konnte mit dieser Aussage zwar nicht viel anfangen, gab sich aber letztlich damit zufrieden. Allmählich merkte man, dass von den anfangs über 30 Teilnehmern immer wieder auch Abgänge zu verzeichnen waren.

Etwas überrascht war ich als noch vor 22.00 Uhr Walter, der Organisator des Treffens, neben mir an der Schank Platz nahm. „Ich sag’s euch, sowas tue ich mir nie mehr wieder an.“, warf Walter in die Runde der anwesenden Stammgäste, die diese Aussage aber nicht wirklich deuten konnten. „Wie meinst du denn das, läuft das ganze nicht so wie du es dir erwartet hattest?“ fragt ich etwas neugierig. Walter war es offenbar durchaus recht gewesen, sich auszusprechen zu können. Er wäre schon seit über einem Jahr in einem Internet-Chat aktiv, wobei er an sich selbst – wie er es formulierte – schon zeitweise eine gewisse „Sucht“ beobachtet hätte. Da er von den Menschen, mit denen er praktisch schon fast jeden Abend in virtuellen Kontakt war, nur sehr wenige persönlich kannte hatte er sich entschlossen ein Treffen zu organisieren. Es wäre doch spannend, wenn sich die Leute auch mal persönlich in die Augen schauen können.

Von den im besagten Chat-Room vertretenen Power-Usern hatte rund die Hälfte der Leute ihre Teilnahme an dem Treffen zugesagt, etwa zwei Drittel davon hätten heute Abend auch hier vorbeigeschaut. So unerklärlich es für Walter auch war, so wenig hatten sich die sonst so kommunikativen Chatter bei ihrem ersten Treffen offenbar zu sagen. Zu allem Überdruss waren dann auch ausgerechnet noch einige Leute, die in der virtuellen Welt schon so manchen Kleinkrieg ausgetragen hatten aufeinander gekracht, was der Stimmung nicht besonders zuträglich war.

Im Laufe des verbliebenen Abends gesellte sich Walter mit vier anderen Teilnehmern an die Schank  und die kleine Runde konnte noch einen angenehmen Abend verbringen. Die anderen Teilnehmer hatten das Lokal bis 23.00 Uhr schon verlassen. Man konnte Walter, dessen durchaus gut gemeinte Initiative einfach nicht aufgegangen war, die Enttäuschung anfangs bestimmt ansehen.

Ich möchte abschließend festhalten, dass ich mit dieser „Geschichte aus dem Cafe Steiner“ weder den Internet-Chat noch das Chatter-Treffen generell verdammen wollte. Trotzdem glaube ich, zum Teil auch aus eigener Erfahrung sagen zu können, dass eine übertriebene Erwartungshaltung nicht angebracht ist. Es ist ganz bestimmt zulässig das Internet auch dafür zu nutzen neue Menschen kennenzulernen, im speziellen dann wenn die Interessen ähnlich gelagert sind. Die große Zeit des klassischen Chat ist aus meiner Sicht ohnehin bereits wieder vorbei, die sogenannten sozialen Netzwerke scheinen heute wohl eher angesagt zu sein.

Pedro

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