Die Feindbilder – Geschichten aus dem Cafe Steiner

Die Hintergründe für so manche meiner vorangegangene Erzählungen aus dem „Cafe Steiner“ verdanke ich in Wahrheit dem Stammgast Helmut, der über lange Zeit im dem Lokal sehr präsent gewesen ist. Zumeist waren es aber bestimmt nicht die intellektuell anregenden Gedanken sondern vielmehr die provokanten und kontroversen Äußerungen zu den verschiedensten Themengebieten, welche ihm auf seine Art und Weise so unverwechselbar machen sollten.

Nun war Helmut schon über einige Monate nicht mehr im „Cafe Steiner“ gesehen worden, was unter den Stammgästen naturgemäß aufgefallen war. Bis heute wissen wir keine Hintergründe über das nachhaltige Fernbleiben von ihm. Es wird aber dennoch vermutet, daß er letztlich sein Stammlokal gewechselt hätte, da ihm im „Cafe Steiner“ mit seinen Sichtweisen gerade zuletzt die Gesprächspartner abhanden gekommen waren. Ein Mensch wie Helmut möchte zwar gezielt polarisieren, verliert aber dennoch die Lust dabei wenn er auf Dauer zuwenig Feedback erfährt. Dabei ist es für den Provokateur gar nicht mal so wesentlich, ob er Zustimmung oder Ablehnung erfährt – was ihm aber jedenfalls nicht versagt bleiben darf ist ein Platz im Mittelpunkt.

Es mag sich seltsam anhören, dass ein Abend zuletzt im „Cafe Steiner“ trotz seiner Abwesenheit eigentlich im weitesten Sinne doch durch seine Person geprägt war. Durchaus ein wenig ironisch begann Kellner Martin zu sinnieren, daß es nun ohne Helmut „schon fast ein wenig zu ruhig hier geworden wäre“. „Also mir fehlt er bestimmt nicht“, konterte Jürgen unverblümt. Wenn ich ehrlich sein soll konnte ich diese Aussage gut nachempfinden, wenngleich mich selbst mit Helmut keine Berührungspunkte verbanden. Einen Konter auf seine Sichtweisen hatte ich mir zumeist erspart, letztlich besuchte ich das „Cafe Steiner“ auch trotz aber bestimmt nicht wegen der Anwesenheit von ihm.

Es ist bestimmt nicht einfach das Meinungsbild von Helmut auf einen Punkt zu bringen. Es waren keine weltbewegenden Themen bei denen es Helmut aber immer besonders gut gelang Feindbilder zu definieren. Oftmals hatte eine solche von ihm getätigte Äußerung auch zu manch kontroverser Diskussion im „Cafe Steiner“ geführt. Selbst konnte ich mich an der – bewußt oder unbewußt – provokant vorgetrgenen Grundaussage von Helmut aber nie erfreuen, was wohl auch ein wenig an meinem Wesen liegen mag.

Ich hatte dennoch über Jahre in unregelmäßigen Abständen die Gelegenheit um die Gedankenwelt von Helmut ein wenig zu erforschen. Wenn jemand mehr besaß als er, hätte dieser es bestimmt nicht verdient. Alle anderen Menschen würden übervorteilt werden, nur er wäre der einzig Ehrliche auf dieser Welt. Jeder mit einer anderen Meinung oder anderen Vorlieben als den seinen, wäre am Holzweg. Aber er wäre doch der einzige Gute auf dieser Welt, der das alles über sich ergehen ließe. So ließe sich seine Gedankenwelt für mich kurz zusammenfassen. Auch politische Themen wurden von seiner Seite zumeist von einer sehr destruktiven Seite betrachtet.

In manchen Gesprächen mußte ich mir noch nachsagen lassen, daß ich kritischen Äußerungen generell ablehnend gegenüberstehe, was ich immer deutlich zurückgewiesen habe. Wer mich näher kennt wird bestätigen können, daß ich die notwendige Bereitschaft zur Kritik zweifellos lebe – wenngleich ich sie nicht unbedingt mit Kraftausdrücken unterlegen möchte und besonders darauf achte die Entstehung von vermeintlichen Konfliktsituationen zu vermeiden.

Ich will auch gar nicht behaupten, daß die Gedankenwelt von Helmut ein derartiger Einzelfall wäre. Die Definition von Feindbildern wird gerade auch in der Politik oftmals gerne strapaziert, da sie von bestimmten Wählerschichten auch sehr wohlwollend aufgenommen wird. Für mich bleibt diese Gedankenwelt dennoch unergründlich, da ich die Entstehung von Feindbildern aus einem tiefen inneren Bedürfnis heraus ablehne. Es ist dabei gar nicht wesentlich, ob ich der angegriffenen Gruppe angehöre oder auch nicht. Ich gehe davon aus, daß Menschen die eine Vorliebe für Pauschalierungen leben diesen Umstand auch nur selten berücksichtigen.

Ich wollte mich mit meiner heutigen Geschichte nicht zum Heiligen erklären und werde wohl auch selbst einzelnen Gruppen näher und manchen ferner stehen, was wahrscheinlich nur allzu normal ist. Dennoch macht es einen Unterschied ob ich mir entfernte Gruppierungen lediglich halbherzig toleriere oder sie eben anerkenne. Meine Zeilen sind auch kein Aufruf zur Ja-Sagerei, da eine berechtigte Kritik wie zuvor erwähnt auch von mir ausgelebt werden wird. Es soll lediglich gesagt sein, daß ein Leben ohne Feindbildern zu einem besseren Umgang und Verständnis zwischen den Menschen führen kann. Und für mich bedeutet es ein Mehr an Seelenfrieden…

Pedro

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