Die Friseurmeisterin – Geschichten aus dem Cafe Steiner

Nicht allzu weit entfernt von unserem legendären „Cafe Steiner“ befindet sich im 2. Wiener Gemeindebezirk in einer wenig frequentierten Seitengasse der „Salon Hannelore“. Ich bin an dem Friseurgeschäft schon öfters vorbeispaziert und es vermittelte auf mich ein wenig den Eindruck, als ob es auch schon bessere Zeiten gesehen hätte.

Es war mir lange Zeit nicht bewusst, dass die Inhaberin des kleinen Friseursalons an den Nachmittagen vereinzelt im „Cafe Steiner“ anzutreffen ist. Dies begründet sich wohl auch darin, dass ich selbst das Lokal zumeist erst am späteren Abend besuche. Vor wenigen Tagen fand ich mich mit einem Kollegen nachmittags im „Cafe Steiner“ ein um zum Ausklang des Arbeitstages ein gepflegtes Bier zu konsumieren. Dieser Umstand sollte dazu führen, dass mir unverhofft erste Einblicke in die Gedankenwelt der selbstbewussten Geschäftsfrau Hannelore Meier gewährt werden sollten.

„Ich kann euch gar nicht sagen, wie froh ich bin wenn ich in drei Jahren endlich in Pension gehen und den Laden zusperren kann“, hörte ich eine mir zuvor nicht bekannte Stimme in die Rund der anwesenden Stammgäste verkünden. Selbst saß ich mit meinem Arbeitskollegen unweit der Schank und war ein wenig in eine Diskussion vertieft, sodass ich die Aussage anfangs nur am Rande wahrnahm. So weltbewegend war für mich die Botschaft auch nicht, dass man sich nach einem arbeitsreichen Berufsleben auf den Ruhestand freuen würde.

Der an der Schank sitzende Stammgast Jürgen schnappte die Aussage von Hannelore auf und erwiderte am Rande, dass er sie durchaus verstehen könne, wenngleich er selbst wohl noch rund 30 Jahre zu arbeiten haben werde. Es schien mir ein wenig so als hätte die Friseurmeisterin nur darauf gewartet, dass sich jemand finden würde dem sie nun ihr Herz ausschütten könne. Nun hätte sie also ihr unfreiwilliges Opfer gefunden. Wenn sie ihre wirtschaftliche Sichtweise auf eine etwas weniger gehässige Form dargebracht hätte wäre es durchaus möglich gewesen, dass ich für ihre Sorgen auch Verständnis gezeigt hätte. Es lässt sich durchaus beobachten, dass die Klein- und Mittelbetriebe des Friseurgewerbes zunehmend mit Konkurrenz von filialbasierende Ketten konfrontiert werden.

„Sie können sich gar nicht vorstellen, welche Plage so ein eigenes Geschäft sein kann.“, war die einleitende Botschaft, der ich mich gar nicht widersetzen hätte wollen. Hellhörig wurde ich erst aufgrund der folgenden Erzählungen. „Die Angestellten sind einfach so uneinsichtig. Die wollen am Monatsletzten ihr Geld, egal ob sie etwas geleistet haben oder nicht. Mir soll einmal so ein Gewerkschaftler erklären, wo ich die 2 Prozent Lohnerhöhung hernehmen soll, welche diese Herren ausverhandelt haben.“ Auch das 13. und 14. Monatsgehalt wäre schließlich eine „fürchterliche Frechheit“, denn „meine Kunden zahlen mir für den Haarschnitt schließlich auch kein Weihnachts- und Urlaubsgeld“. Selbige Botschaften bekamen wir dann natürlich auch noch über den Anspruch eines bezahlten Urlaubes und andere angebliche „Privilegien“ der Arbeitnehmer zu hören. Aus meiner Sicht wollte sich die Salonchefin mit ihren Aussagen krampfhaft in eine Opferrolle versetzen, ließ dabei aber jegliche Glaubwürdigkeit vermissen.

Die von Hannelore Meier vorgebrachte Meinung war für mich derart verdreht, dass ich vorerst nur den Kopf schütteln konnte und mich gewiss nicht an dem Gespräch beteiligen wollte. Auch die anderen anwesenden Stammgäste teilten nach einem kurzen Wortgefecht wohl diese Einsicht und die Friseurmeisterin verlies kurz darauf auch das Lokal. Die Frage, welche nicht nur für mich im Raum stehen blieb war wohl jene, wie die Salonbesitzerin wohl selbst mit ihrem Weltbild umgehen würde. Ich denke, dass es durchaus entbehrlich ist auf die von Hannelore Meier dargebrachten Attacken auf die Mitarbeiter einer wohl nicht privilegierten Berufsgruppe einzugehen. Die bestimmt nicht allzu großzügigen Kollektivvertrags-Gehälter in dieser vorrangig von Frauen angestrebten Berufssparte erklären für mich auch teilweise die vorhandenen Unterschiede in der Lebenseinkommenskurve von Mann und Frau. Ein Umstand der aber auch auf andere Berufsbilder in der Dienstleistungsbranche Anwendung findet.

Im Laufe des Abends konnte ich es aber doch nicht lassen, mir noch einige Gedanken über das Gespräch zu machen, welches ich eigentlich nur am Rande mitverfolgt hatte. Wer mich besser kennt weiß, dass ich jeglichen pauschalen Verunglimpfungen und dem gegeneinander ausspielen von Interessensgruppen äußerst ablehnend gegenüberstehe. Es spielt dabei für mich auch keine Rolle, ob meine eigenen oder fremde Interessen unzulässig angegriffen werden. So habe ich oftmals schon pauschale Angriffe auf den „bösen Unternehmer“ ebenso angeprangert, wie ich heute die Aussagen von Hannelore Meier kritisiert habe. Es wurde mir schon nachgesagt, dass ich vereinzelt durch ein überzogenes Harmoniebedürfnis die Realität ein wenig aus den Augen verloren hätte. Ich will mich zu diesem Umstand nicht äußern, möchte aber festhalten, dass ich mich mit – wie ich es interpretiere – hasserfüllten Aussagen, wie jenem von Hannelore Meier, nicht auseinandersetzen kann und will.

Pedro

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