Alfred Gusenbauer ging als kürzest dienender Bundeskanzler der Republik Österreich in die politische Geschichte ein. Nach den Jahren der schwarz-blauen bzw. schwarz-orangen Koalitionsregierungen wurde im Jänner 2007 eine große Koalition unter Bundeskanzler Gusenbauer und Vizekanzler Molterer angelobt. Die Regierung stand offenbar unter keinem guten Stern und hatte bald das Image, mehr zu streiten als zu arbeiten – zu gegensätzlich waren entweder die Interessen und Anschauungen, oder aber war auch die Kompromissbereitschaft zu gering. Im Juli 2008 kündigte Vizekanzler Molterer die Koalition auf. Für die Nationalratswahlen wurde SPÖ-Spitzenkandidat Alfred Gusenbauer durch Werner Faymann abgelöst. Die ÖVP wechselte erst nach der Wahl ihren Obmann aus – Josef Pröll trat an die Stelle von Wilhelm Molterer. Seit 2. Dezember ist die neue, aber nicht mehr ganz so große “große Koalition” unter SPÖ-Bundeskanzler Faymann und ÖVP-Vizekanzler Pröll im Amt.
Beinahe so sehr man an der vormaligen Regierung berechtigterweise ihre Konfliktpotentiale bemängelte, so sehr stürzen sich manche Medien nun auf die sehr demonstrativ gelebte Harmonie zwischen den nunmehrigen Koalitionspartnern. Wobei daran soweit eigentlich nichts zu bemängeln sein sollte, sofern konstruktive und entschlossene Regierungsarbeit vorherrscht und die vorgelebte Harmonie nicht über Handlungsunfähigkeit hinwegtäuschen soll. Es wäre wohl auch ungerecht, von einer Regierung zu erwarten, dass sie nach etwas über 100 Tagen ihres Bestehens alle Probleme, die ihr auch von Vorgängerregierungen zurückgelassen wurden, eine perfekte Lösung parat haben muss. Erschwerend kommt zweifellos hinzu, dass die Weltwirtschaftskrise natürlich auch vor Österreich nicht halt macht.
Sehen wir uns doch mal an, was die Regierung Faymann-Pröll in den letzten drei Monaten vorangetrieben hat. Vor kurzem wurde die im Regierungsprogramm vereinbarte Steuerreform beschlossen. Eine zweifelsfrei in der Bevölkerung geschätzte Maßnahme, auch wenn sie nicht mehr bewirkt, als die kalte Progression zu reduzieren. Weiters wurde ein Banken-Hilfspaket gegen die Wirtschaftskrise geschnürt. Dieser mit bis zu 100 Milliarden Euro dotierte Geldtopf wird in der Bevölkerung oftmals als “Geldgeschenk” für die Banken missinterpretiert. Tatsächlich handelt es sich dabei für die Banken um eine Möglichkeit, durch einen mit acht Prozent verzinsten Kredit ihre Eigenkapitalbasis zu stärken. So manches größere Kreditinstitut, von dem ich nicht annehme dass es insolvenzgefährdet ist, hat von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch gemacht. Mir ist schon klar, dass es sich hier um einen heiklen Punkt handelt und eine faire Anwendung vorausgesetzt werden muss. Schließlich haben Banken in den Jahren vor der Krise nicht zuletzt durch Osteuropa Milliardengewinne erwirtschaftet. Dass nun der Steuerzahler einspringen soll, wirkt schwer verständlich. Doch muss man auch anführen, dass das Hilfspaket wohl nicht wirklich eine Erfindung der österreichischen Regierung war, sondern eher im europäischen Gleichklang erfolgt ist.
Eine große Aufgabe für die österreichische Regierung wäre eine Staats- und Verwaltungsreform – an der, wohlgemerkt, schon so manche Vorgängerregierung gescheitert ist. Auch im Regierungsprogramm der amtierenden Regierung finden sich diesbezüglich keine allzu ambitionierten Vorhaben. Österreich hat als relativ kleines Land, durchaus auch im internationalen Vergleich gesehen, eine aufgeblähte Verwaltungsstruktur. An den Grundpfeilern – etwa den neun Bundesländern, Bezirkshauptmannschaften und ihren Kompetenzen – zu rütteln würden wohl manche als Revolution interpretieren, auch wenn hier zweifellos viel Geld begraben liegt. Schließlich bedeutet eine Verwaltungsreform praktisch immer auch eine harte Auseinandersetzung mit der nicht unmächtigen Beamten-Gewerkschaft. Unterrichtsministerin Claudia Schmidt ließ zuletzt damit aufhorchen, die wöchentliche Unterrichtsverpflichtung für Lehrer um zwei Stunden zu erhöhen. Es ist derzeit noch nicht absehbar, mit welchem Kompromiss der Konflikt mit der Lehrer-Gewerkschaft enden wird. Kanzler Faymann hat sich jedenfalls demonstrativ hinter seine Ministerin gestellt, die bereits für den Fall des Scheiterns ihres Vorhabens mit Rücktrittsgedanken spekuliert hat. Spannend wird wohl das erste Budget, das Finanzminister Pröll bis April vorlegen wird. Geld fehlt wohl an allen Ecken und Enden. Pröll hat bereits sehr restrikte Vorgaben angekündigt, kaum ein Ressort soll ausgespart bleiben. Ein Sparkurs ohne tiefgreifende Reformen könnte aber umgekehrt sehr kurzlebig wirksam sein und nebenbei den rechtspopulistischen Oppositionsparteien FPÖ und BZÖ offen in die Hände spielen.
Es lässt sich kaum leugnen, dass die Wirtschaftskrise nun wohl auch in Österreich angekommen ist. Auch wenn die bisherigen Zeichen rund um Kurzarbeit, Kündigungen und Kreditklemme noch einen relativ geringen Teil der Bevölkerung ernsthaft erfaßt haben, kann derzeit noch niemand seriös sagen, wie es weitergehen wird. Wie lange wird die Krise anhalten, werden die Maßnahmen ausreichen und werden sie budgetär über einen längeren Zeitraum überhaupt möglich sein? In diesem Zusammenhang wird der Regierung manchmal eine “Schönmalerei” vorgeworfen, was ich teilweise auch nachvollziehen kann. Andererseits kann das Verbreiten von Pessimismus auch bestimmt nicht das wahre sein, die Darstellung eines objektiven Bildes und ein entschlossenes Handeln sollte aber wünschenswert sein.
Pedro