Die Nacht U-Bahn in Wien – Geschichten aus dem Cafe Steiner

Der Start dieser neuen Kolumne ist für mich so etwas wie ein persönliches Experiment. Bisher habe ich in der Kolumne „Ansichtssache“ versucht politischen und gesellschaftspolitischen Themen näher auf den Zahn zu fühlen.

Das soll auch so bleiben und ein neuer Artikel über den Wahlkampf zur Wiener Gemeinderatswahl befindet sich bereits gedanklich in Vorbereitung. Es ist mir aber auch ein Anliegen auf die Verhaltensmuster und Ansichten der Menschen einzugehen. Dazu habe ich mir vorgenommen künftig von fiktiven Besuchen in einem „Cafe Steiner“ und den dort unter den Stammgästen geführten Gesprächen zu berichten. Die Auswahl der Themen bleibt subjektiv, ich möchte mir nicht anmaßen „die Volksmeinung“ darzustellen, sehr wohl möchte ich aber die Einzelmeinungen themenbezogen mit meinen persönlichen Sichtweisen hinterlegen.

Die Nacht U-Bahn in Wien

Am vergangenen Freitag war ich wegen eines aktuellen Projektes bis in den späten Abend in der Firma, was durchaus zu erwarten gewesen war. Als die Arbeitswoche kurz vor 22.00 Uhr dann geschafft war dachte ich darüber nach, noch einen Abstecher in mein Stammlokal zu unternehmen. Einerseits wußte ich, daß ich mich am nächsten Tag ausschlafen könne und andererseits war erst gerade eben in Wien der Nachtbetrieb der U-Bahnen an Wochenenden eingeführt worden, sodaß ich mir wegen meiner Heimreise auch keine Sorgen zu machen brauchte.

Das „Cafe Steiner“ im 2. Wiener Gemeindebezirk liegt wenige U-Bahn Stationen von meiner Wohnung entfernt. Auf dem Weg dorthin kam ich auch bei der relativ stark frequentierten Station „Schwedenplatz“ vorbei, wo die Einführung des U-Bahn Nachtbetriebes von den „Wiener Linien“ mit einer entsprechenden Informationskampagne verbunden wurde.

Kurz nach 22.00 Uhr war ich letztlich im „Cafe Steiner“ angekommen und konnte Kellner Martin und einige mir bekannte Stammgäste begrüßen, neben denen ich an der Schank Platz nahm. Wie es der Zufall so wollte war gerade eine Diskussion über Sinn und Unsinn des neuen U-Bahn Nachtbetriebes in Gange, bei der ich es mir natürlich nicht nehmen lassen wollte mich einzubringen. Im Februar diesen Jahres hatte es in Wien eine Volksabstimmung zu mehreren Themen, unter anderem eben auch dem U-Bahn Nachbetrieb gegeben, wo sich 54,9% der Wiener dafür ausgesprochen haben. Auch ich selbst hatte am Stimmzettel damals das „Ja“ angekreuzt und verkündete im Stammlokal, daß ich die Umsetzung dieser Maßnahme für eine sehr begrüßenswerte Sache hielte.

Mehr hatte ich nicht gebraucht. „Ich halte es für einen Schwachsinn. Was glaubst was das kostet?“ wurde mir von meinen Sitznachbarn, Georg, zugeworfen. Nun, daß der Nachtbetrieb Kosten verursachen würde wäre auch mir klar, warf ich ein, doch wäre es doch eine feine Serviceleistung für die Fahrgäste und würde auch die Verkehrssicherheit in der Nacht erhöhen. „Bist du ein sozialer Mensch?“ wurde ich nun von Georg etwas überraschend gefragt. Als ich dies bejahte bekam ich zu hören, daß man dann das Geld besser in Kindergärten investieren hätte können. Als ich konterte, daß letztlich erst vor kurzem der Gratis-Kindergartenbesuch eingeführt wurde bekam ich von Georg zu hören, daß ich angeblich nicht verstehen würde was er meint.

Nun bekam ich Schützenhilfe von Kellner Martin, der unser Gespräch ein wenig mitverfolgt hatte. Er selbst würde die Regelung begrüßen, obwohl er das Service selbst nicht unbedingt benötigen würde, da seine Wohnung nur zwei Gassen von seinem Arbeitsplatz, dem Lokal, entfernt sei. Nun, selbst werde ich die Nacht U-Bahn bestimmt auch nicht allzu häufig nutzen, aber ich denke eben daß die Maßnahme ein sinnvolles Angebot für die zu einem großen Teil doch auch jugendlichen Nachtschwärmer darstellt. Abgesehen davon sei auch erwähnt, daß die Neuregelung aus meiner Sicht eigentlich nur eine Erweiterung des schon länger bestehenden Nachtautobus-System ist.

Stammgast Karl, in der Ecke sitzend, hatte unsere Debatte mitverfolgt. Nun wollte er doch noch einwerfen, daß die Taxifahrer mit der Neuregelung bestimmt keine Freude hätten. Diesen Umstand kann man zwar gewiß nicht bestreiten, doch um den Taxiunternehmern eine Freude zu machen müßte man den öffentlichen Verkehr am besten gleich ganz einstellen konterte ich mit einer gehörigen Portion Sarkasmus. Natürlich werden die Taxifahrer den U-Bahn Nachtbetrieb spüren und sich anpassen müssen, doch sind sie damit wohl nicht die einzige Berufsgruppe die im Laufe ihrer Erwerbstätigkeit von Änderungen betroffen sind. „Wenn ein einziger Jugendlicher durch diese Maßnahme davon abgehalten wird betrunken ein Auto zu lenken, hat es sich rentiert“ mit diesen Worten konnte Kellner Martin die Diskussion aus meiner Sicht sehr gut abschließen, ein weitergehender Konsens zwischen den Stammgästen zu diesem wohl bestimmt auch nicht weltbewegenden Thema, schien kaum mehr möglich.

Als ich kurz nach Mitternacht das „Cafe Steiner“ verließ und die naheliegende U-Bahn Station aufsuchte um nach Hause zufahren merkte ich erst, daß ich das Nachtsystem damit gar nicht nutzen würde. Die U-Bahnen wären auch bisher in Wien bis etwa 0:30 Uhr unterwegs gewesen. Nun, es wird ein anderes mal bestimmt soweit sein, dass ich auf das Angebot zurückgreifen werde …

Pedro

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