Der Kriminalfall von Amstetten ist nach wie vor schwer zu begreifen. Josef F. soll im Sommer 1984 seine damals 18jährige Tochter Elisabeth in den Hauskeller gelockt und dort über 24 Jahre unter katastrophalen Bedingungen gefangen gehalten und vielfach vergewaltigt haben. Es wurden sieben Kinder gezeugt, von denen eines kurz nach der Geburt starb. Drei Kinder mussten ebenso wie ihre Mutter im Kellerverlies leben, während die anderen drei Kinder vom Täter als Adoptiv- bzw. Pflegekinder in seine Welt über dem Kellerverlies gebracht wurden. Josef F. hatte der Öffentlichkeit wie auch seiner Familie gegenüber immer erklärt, die Tochter hätte sich einer Sekte angeschlossen. Tatsächlich hatte F. seine Tochter immer wieder dazu gezwungen Briefe mit entsprechendem Inhalt zu verfassen, mit der er diese These untermauern konnte.
Der Fall konnte erst nach über zwei Jahrzehnten aufgeklärt werden, nachdem eines der Kinder, nämlich die im Keller groß gewordene Kerstin, wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung von Josef F. ins Krankenhaus gebracht wurde. Aufgrund der ungewöhnlichen Symptome wollten die Ärzte unbedingt deren Mutter sprechen, worauf F. im April 2008 auf deren Drängen auch diese in Freiheit entließ. Nachdem Elisabeth im Krankenhaus das Unglaubliche ausgesagt hatte, legte Josef F. ein Geständnis ab und wurde festgenommen.
Der Fall sorgte für ein enormes Medieninteresse. Die Stadt Amstetten war tagelang belagert von Medienvertretern aus der ganzen Welt. Dennoch ist es meiner Einschätzung nach gelungen ein gutes Opferschutzprogramm für die Familie zu entwickeln. Diese soll unter geänderten Namen an einem anderen Ort versuchen ein neues Leben zu beginnen, mit aller Unterstützung, so gut dies eben möglich ist. Dass die auflagenstärkste britische Zeitung „The Sun“ kürzlich ein aktuelles Foto von Elisabeth gezeigt haben soll empfinde ich als schäbigen Journalismus den ich nicht näher kommentieren möchte.
Josef F. war schon wegen einer Vergewaltigung in den 60er Jahren zu einer Haftstrafe verurteilt worden, die jedoch nach 15 Jahren aus dem Strafregister entfernt wurde. Seine Ehefrau Rosemarie, mit der er sieben Kinder hat, verzieh im offenbar. Die mittlerweile geschiedene Gattin hatte auch kein Problem mit den regelmäßigen Thailand-Urlauben von Josef F., die dieser alleine antrat. Dennoch möchte ich der wohl zweifellos unterdrückten Frau F. keinen Vorwurf machen, auch wenn man sie vereinzelt als perfekte Erfüllungsgehilfin des „Keller-Monsters“ darstellt. Von seinem Umfeld wurde Josef F. meist als erfolgreicher Geschäftsmann wahrgenommen, letztlich besaß er fünf Häuser in verschiedenen Gemeinden, die er vermietete. Gegenüber seiner Familie soll er aber auch sehr autoritär aufgetreten sein. Im Zusammenhang eines im Oktober 2008 entstandenen Psychogramms räumte F. ein, seine Mutter, der er körperliche und seelische Misshandlungen in seiner Kindheit vorwirft, von 1959 bis zu ihrem Tode 1980 in einem Raum eingesperrt zu haben, dessen Fenster er lichtundurchlässig vermauert hatte
Der Prozess gegen F. im März 2009 umfasste die Anklagepunkte der Freiheitsberaubung, Sklaverei, Vergewaltigung mit Blutschande sowie Mord durch Unterlassung. Der Anklagepunkt der Sklaverei galt in Österreich bisher als „totes Recht“ und wurde im Fall F. erstmals verhandelt. Bei dem Prozess, der teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, wurden auch Videos mit Aussagen von Elisabeth gezeigt. Josef F. soll sich lt. seinem Anwalt Mayer erschüttert über die Aussagen gezeigt haben, was aber nicht auf viel Glaubwürdigkeit bei den Geschworenen stieß. Der Täter bekannte sich am zweiten Verhandlungstag in allen Anklagepunkten schuldig. Er wurde am 19.3.2009 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, das Urteil ist rechtskräftig.
Der Fall lässt dennoch viele Fragen offen. Damit, wie ein Mensch psychisch in der Lage sein kann, ein derart abscheuliches Verbrechen zu begehen, wird sich die Psychologie noch länger auseinandersetzen. Aber wieso ist das Doppelleben des Josef F. niemanden aufgefallen? Schließlich führte F. auch Bautätigkeiten an dem Kellerverlies durch, in dem er sich über all die Jahre wohl auch nicht unwesentliche Zeit aufgehalten hat. Offenbar gelang es ihm durch sein autoritäres Gehabe nicht nur seine Opfer einzuschüchtern sondern auch sein Umfeld dazu zu bringen, nicht weiter nachzufragen. Der Keller wäre tabu, sprach Josef F. und das hatte zu gelten. Punkt.
Aber auch, dass Josef F. der Öffentlichkeit und ganz im Besonderen den Behörden glaubhaft machen konnte, dass sich seine Tochter einer Sekte angeschlossen hatte, stößt seltsam auf. Welche Sekte wäre das denn gewesen? Die Tochter hätte im Laufe der Jahre dreimal ein Kind vor dem Elternhaus abgelegt, dass heißt die Tochter müsste sich also in Österreich aufgehalten haben. Trotzdem gibt es über Jahrzehnte von ihr kein wirkliches Lebenszeichen? Wenn es eine solche Sekte in Österreich geben sollte, wäre es wohl im öffentlichen Interesse gewesen hier Licht in die Sache zu bringen. Natürlich, auf der anderen Seite gab es praktisch auch keine Hinweise auf die letztlich nicht vorhandene Sekte und ich weiß schon, im Nachhinein fügen sich die Dinge aneinander. Offenbar war niemand in der Lage, sich das unvorstellbare auszumalen, was nicht ganz unverständlich klingt. Dennoch möchte ich die Behörden hier nicht ganz aus der Verantwortung entlassen sehen.
Pedro
Eine kurze Anmerkung für den Fall, dass sich jemand fragen sollte, warum ich in diesem Beitrag den Familiennamen „F.“ nicht ausgeschrieben habe. Die großen Medien haben sich hier unterschiedlich verhalten, der Name der Familie ist wohl den meisten Menschen bekannt, aber letztlich irrelevant. Es handelt sich hier wohlgemerkt nicht um Täter- sondern Opferschutz, zu dem ich mich, wenn auch nur symbolisch, bekennen möchte.