Die Privatschule – Geschichten aus dem Cafe Steiner

Jürgen war zuletzt nicht allzu häufig im „Cafe Steiner“ anzutreffen. Um so größer war unter den Stammgästen die Wiedersehensfreude als er am vergangenen Samstag unvermittelt in dem Lokal aufgetaucht war. Der junge Familienvater hatte dabei auch durchaus einiges zu erzählen. So würde seine nunmehr bald 10jährige Tochter heuer die Volksschule abschließen und er hätte sich mit seiner Gattin schon intensiv damit beschäftigen, wie man den weiteren schulischen Werdegang am besten planen könne.

Die Tochter Tanja ist ein sehr aufgewecktes Kind und man wäre der Meinung, daß dies auch mit einer besonderen Ausbildung gewürdigt werden sollte. So erzählte uns Jürgen, daß er mit seiner Gattin derzeit andenken würde, daß Tanja ab dem nächsten Schuljahr im „Theresianum“ ihren Ausbildungsweg fortsetzen könne. Die Theresianische Akademie in Wien ist eine sehr traditionsreiche Privatschule in Wien, deren Gründung auf das Jahr 1746 durch Kaiserin Maria Theresia zurückgeht und deren Unterrichtsplan einen besonderen Schwerpunkt in der Fremdsprachenausbildung vorsieht.

Ich finde es selbstverständlich ganz toll, wenn Tanjas Eltern sich dafür engagieren ihrer Tochter die beste Ausbildung zu ermöglichen. Auch das Schulgeld von knapp über 5.000 Euro im Jahr würde sie nicht abschrecken, wie Jürgen betonte, denn es handle sich schließlich um eine Investition in die Zukunft der Tochter. Man werde nun demnächst mit dem „Theresianum“ in Kontakt treten um weitere Informationen zu erhalten und abklären zu können ob eine Aufnahme ab dem nächsten Schuljahr überhaupt möglich wäre. Das „Theresianum“ setzt bei seinen Anwärtern ein ausgezeichnetes Volksschulzeugnis und einen sehr guten Eindruck bei einem persönlichen Vorstellungsgespräch voraus.

Ich war den Erzählungen von Jürgen sehr interessiert gefolgt und konnte dabei ein kleinwenig eine noch vorhandene und durchaus verständliche Unsicherheit bei der anstehenden Entscheidung erkennen. Wie schon eingangs erwähnt ist es sehr begrüßenswert wenn Eltern ihren Kindern die bestmögliche Ausbildung ermöglichen wollen. Das „Theresianum“ darf wohl als so etwas wie eine Eilteschule bezeichnet werden, die ihren Absolventen durchaus auf einen guten Start ins Berufsleben vorbereiten kann. Ich kenne Jürgens Tochters nicht und kann deshalb auch die entsprechende Eignung nicht beurteilen. Andererseits gehe ich aber auch davon aus, daß diese Frage noch im Zuge des Erstkontaktes mit dem „Theresianum“ behandelt werden wird.

Ich kann euch versichern, daß ich an dem Abend bestimmt nicht der einzige Gast im „Cafe Steiner“ war, der den Überlegungen von Jürgen und seiner Gattin gegenüber sehr positiv eingestellt war. Kellner Martin merkte am Rande an, daß er niemals für ein Kind 5.000 Euro jährliches Schulgeld zahlen könne. Soweit es mir bekannt sind auch die Eltern von Tanja eher als Durchschnittsverdiener zu betrachten, dürften sich die Überlegungen in Richtung Privatschule aber auch gut überlegt haben.

Was mich an der Diskussion im „Cafe Steiner“ im Verlauf ein klein wenig gestört hat war der Umstand, daß von einzelnen Gästen begonnen wurde das öffentliche Schulsystem schlecht zu reden. „In eine öffentliche Schule kannst dein Kind heute eh nicht mehr geben“, war da etwa zu hören. Die Ergebnisse der PISA Studie sind mir durchaus bekannt und ich bin auch davon überzeugt, daß sich im Bildungssystem ein gewisser Reformstau angesammelt hat. Aus einer sich daraus ergebenden Verpflichtung zu einer Verbesserung des öffentlichen Schulsystems möchte ich aber die politisch Verantwortlichen keinesfalls entlassen.

Ich bekenne mich durchaus zu einem differenzierten Schulsystem und die Theresianische Akademie ist ein Baustein davon. In den aktuellen politischen Diskussionen rund um die Gesamtschule wird zumeist kritisiert, daß es möglicherweise zu früh sein kann für 10jährige Schüler bereits eine derartige Weichenstellungen zu setzen. Auch wenn ich diesen Einwand durchaus verstehe, kann und will ich an dieser Stelle keine Beurteilung dazu abgeben.

Pedro

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