Die Schilling Nostalgie – Ansichtssache

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als in den 80er und 90er Jahren an jedem Straßeneck eine Videothek eröffnet wurde. Der Verleih von VHS-Kasetten und der späteren DVD florierte auch durchaus, doch sind diese Zeiten auch schon wieder lange vorbei. Die technischen Möglichkeiten der Filmbeschaffung und geänderte Gewohnheiten der Menschen haben dazu geführt, daß viele Videotheken bereits ihren Geschäftsbetrieb wieder einstellen mußten.

Unlängst spazierte ich über eine Wiener Einkaufsstraße und sah mich plötzlich einer Videothek gegenüber die abseits der Branchen-Krise noch ein verhältnismäßig großes Geschäftslokal betreibt. Was mir aber besonders auffiel war das in dicken roten Lettern am Portal angebrachte Angebot der Videothek.

Demnach bestünde in dem Geschäft für den Kunden die Möglichkeit Filme schon „ab 7,50 ÖS (Österreichische Schilling)“ auszuleihen. Auch wenn ich nun die Dienste dieses Unternehmens in Anspruch nehmen wollte würde ich vor einem Problem stehen. In meinem Portmonait finden sich schon seit vielen Jahren keine Schilling mehr – ich denke aber auch, daß ich hier kein Einzelfall bin. Abgesehen davon sagt mir ein Betrag von 7 Schilling und 50 Groschen auch gefühlsmäßig recht wenig – da sind 55 Cent für mich schon deutlich aussagekräftiger.

Natürlich kenne ich die Hintergründe der Werbebotschaft dieser Videothek nicht. Auch wenn ich es für höchst unwahrscheinlich halte könnte es dennoch sein, daß der Betreiber in den letzten zehn Jahren darauf vergessen hat die Preisbezeichnung abzuändern. Es läßt mich aber die Vermutung nicht ganz los, daß hier eine etwas seltsame Botschaft an die Nostalgiker des „guten alten Schilling“ ausgesendet werden soll.

Ich gebe gerne zu, daß mich dieser Umstand etwas beschäftigt hat und ich ihm nicht auf sich beruhen lassen wollte. Ist die Nostalgie um den Schilling tatsächlich so groß? Einer Umfrage des Linzer Market-Institutes zufolge würden 16 Prozent der Österreicher noch ständig, weitere 53 Prozent immerhin bei größeren Ausgaben in Schilling umrechnen. Eine Umfrage der „Bild“-Zeitung von Ende 2010 erhob, dass 49 Prozent der Deutschen zur alten Währung zurück wollen und nur 41 Prozent den Euro vorziehen würden.

Diese Umfragen wurden wohlgemerkt noch vor der aktuellen Krise erstellt. Noch vor gar nicht so langer Zeit wäre es undenkbar gewesen, daß die Gemeinschaftswährung einer derartigen „Zerreißprobe“ ausgesetzt wird. Auf der anderen Seite möchte ich hier aber anmerken, daß für die aktuellen Probleme aus meiner Sicht nicht primär der Euro sondern vielmehr eine verantwortungslose Budgetpolitik verantwortlich ist.

Der Euro sei ein „Teuro“, war ein Vorwurf der unmittelbar nach der Bargeldeinführung des Euros am 1. Jänner 2002 oft und lautstark geäußert wurde. Der Umrechnungsfaktor für den österreichischen Schilling bei 13,7603 wurde tatsächlich sehr gerne durch großzügige Rundung für ein saftiges Körberlgeld mißbraucht. Viele Menschen hatten plötzlich das Gefühl, daß der 10 Euro Schein nicht mehr Kaufkraft als der einstige 100 Schilling Schein hätte.

Dennoch bin ich bestimmt kein Anhänger der „Früher war alles besser“-Fraktion. Und ich werde auch keine Erklärung finden welche Botschaft die eingangs erwähnte Videothek an ihre Kunden aussenden möchte. Denn ich gehe schon davon aus, daß die Kunden auch hier für ihre Ausleihung natürlich einen Euro-Betrag zahlen werden.

Pedro

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