Feichtenbach – Ansichtssache

Ich möchte gerne den Versuch unternehmen einige persönliche Kindheitserinnerungen mit der historischen Betrachtung des „Sanatorim Wienerwald“ zu verbinden.

1. Teil: Familiengeschichte

Die nachfolgenden Zeilen sollen im besonderen auch meiner Oma gewidmet sein, die für mich stets eine wichtige Bezugsperson war. Oma wurde 1915 in Niederösterreich als jüngstes von sechs Kindern geboren. Meine Mutter erblickte am 1. Mai 1939 in Wien das Licht der Welt. Der Gatte und Vater – mein Großvater – kehrte 1944 aus Stalingrad nicht mehr heim und die eheliche Wohnung wurde 1945 bei einem Bombenangriff gänzlich zerstört. Entschuldigt bitte die allzu nüchternen Darstellungen in diesem Beitrag, aber alles andere würde den Rahmen sprengen und mich möglicherweise überfordern …

Meine Eltern heirateten 1959 und am 23. April 1964 kam Robert – mein großer Bruder – zur Welt. Ab dem Oktober 1971 zählte die kleine Familie dann vier Köpfe. Im Jahr 1976 trat unsere Oma in den Ruhestand und verbrachte fortan viel Zeit mit ihren Enkelkindern. Auch wenn zahlreiche Details aus dieser Zeit schon verblaßt sind, werden so manche Eckpunkte stets in meiner Erinnerung weiterleben.

Oma starb im September 2014 im 100. Lebensjahr. Ein derart langes Leben läßt sich nicht einfach reflektieren, doch möchte ich es dennoch versuchen. Ich bin davon überzeugt, dass der starke Charakter sowie die konstruktive und positive Lebenseinstellung meine Oma besonders ausgezeichnet haben. Es war bestimmt alles andere als einfach, als sie 1995 ihren Enkelsohn und 2008 ihre Tochter zu Grabe tragen musste. Da die Familie sich zunehmend verkleinert hatte war ich in den letzten Lebensjahren beinahe ihr einziger naher Angehöriger.

Während meiner Oma der klare Geist bist zuletzt erhalten blieb begann die für sie so wichtige Mobilität in den letzten Jahren zu schwinden. In einem Alter, in welchem andere Menschen die Wohnung nicht mehr verlassen und vor dem TV-Gerät verharren, unternahm Oma noch tägliche Spaziergänge durch die nahegelegene Parkanlage. Einem Urlaubsort, an dem meine Oma in früheren Jahren zahlreiche Wanderungen – zumeist bewußt alleine – unternahm, möchte ich gerne den zweiten Teil meines Beitrages widmen.

2. Teil: Urlaubsheim Feichtenbach

Nach den vorangegangenen Einblick in die Familiengeschichte wollen wir uns nun dem niederösterreichischen Wandergebiet zuwenden. Ich kann mich durchaus noch daran erinnern, dass wir Oma in den 70er und frühen 80er Jahren oftmals in Feichtenbach besucht haben.

Das Urlaubsheim im Piestingtal von Pernitz – knapp 70 Kilometer von Wien entfernt – war damals im Besitz des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) und bot den erholungssuchenden Mitgliedern günstige Konditionen. Einmalig verbrachte ich in meiner frühen Kindheit auch eine Woche mit meinen Eltern im „Urlaubsheim Karl Maisel“ – benannt nach dem österreichischen Gewerkschafter und Politiker.

Feichtenbach - Ansichtssache

Auch wenn mich das Wandern als Kind wenig begeisterte soll erwähnt werden, dass ich das abgeschieden in einem Wald gelegene Haus zweifellos als reizvoll empfand. Etwas vage erinnere ich mich noch an den großen Speisesaal, die alte Kegelbahn und das Freibad. Keinesfalls bewusst war mir damals die wechselvolle Geschichte des Hauses – und noch viel weniger konnte ich wissen, was ihm bevorstehen würde …

In den Jahren 1903/04 errichteten die beiden Lungenspezialisten Hugo Kraus und Arthur Baer das exklusive „Sanatorium Wienerwald“, welches Weltruhm erlangte und bald ausgebaut wurde. Im April 1938 wurde das Sanatorium von den Nationalsozialisten „arisiert“ und diente in den darauffolgenden Jahren dem von der SS getragenen „Lebensborn“ als Mütterheim. Von 1945 bis 1948 nutzte das Jugendhilfswerk das Gebäude als Erholungsheim für unterernährte Kinder. 1950 erwarb der Gewerkschaftsbund die weitläufige Anlage und beauftragte einen großangelegten Umbau, der dem Haus ein völlig neues Aussehen im Stil der 50er Jahre verlieh.

1979/80 wurde ein zu großes Hallenbad errichtet, welches auch eine Sauna, Tischtennisräume und eine moderne Kegelbahn beinhaltete. Diese Investition führte letztlich dazu, dass das Haus nicht mehr rentabel geführt werden konnte. Nach dem Verkauf durch den ÖGB fungierte die Anlage einige Zeit als Kur- und Erholungsheim der Krankenkasse. In weiterer Folge wurde das ehemalige „Sanatorium Wienerwald“ – offenbar wenig erfolgreich – in ein „Hotel Feichtenbach“ umfunktioniert.

Seit 2002 ist das Gebäude inmitten der großen Parkanlage ohne Nutzung und verfällt zunehmend. Derzeitiger Eigentümer ist eine deutsche Holding Gesellschaft.

Im Jänner 2009 erschien der Roman „Feichtenbach – eine Faction“, in welchem die Autorin Eleonore Rodler die Lebensborn-Ära des Hauses beleuchtet.

Feichtenbach - Ansichtssache

Aktuelle Aufnahmen aus Feichtenbach finden sich in unterschiedlichen Online Medien …

svg youtube.com – LOST PLACE – Sanatorium Wienerwald
svg de.wikipedia.org – Sanatorium Wienerwald
svg graustufe.at – Sanatorium Wienerwald
svg de.wikipedia.org – Lebensborn

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