Das von der Bundesregierung kürzlich beschlossene Sparpaket sorgt im „Cafe Steiner“ weiterhin für Gesprächsstoff. Ein nicht unwesentlicher Anteil der geplanten Reformen zur Budgetsanierung zielt darauf ab, daß das in Österreich vergleichsweise niedrige reale Pensionsantrittsalter der Menschen angehoben werden soll. Die Herausforderung wird wohl darin bestehen daß für ein solches Vorhaben auch ausreichende Jobangebote für Dienstnehmer über Fünfzig bestehen müssen. Die Möglichkeiten der Frühpensionierung wurden in der Vergangenheit, nicht zuletzt auch in großen Unternehmen, gerne zu Zwecken der Personaleinsparung genutzt.
Selbst habe ich die Maßnahmen des Sparpaketes einerseits mit Interesse, auf der anderen Seite aber auch mit gemischten Gefühlen wahrgenommen. Die echte Reformbereitschaft hin zu transparenten Regelungen ist für mich zu wenig erkennbar. Trotz meines zweifellos bestehenden Interesse zu diesem Thema bleibe ich bei politischen Diskussionen in meinem Stammlokal doch zumeist ein wenig in der Reserve. Nicht zu selten mußte ich schon erleben, wie rasch bei einer solchen Diskussion die Emotionen hoch gehen können und leicht unbedarfte Äußerungen fallen. Die Geschichte, die ich am vergangenen Freitag erleben durfte und von der ich heute erzählen möchte, ist ein weiterer Beweis dafür.
Der Altersschnitt unter den Stammgästen im „Cafe Steiner“ liegt um die vierzig Jahre und bis zu einem möglichen Pensionsantritt werden für die meisten wohl noch viele Jahre ins Land ziehen. Jürgen formulierte es aus meiner Sicht nicht unrichtig, daß er sich zwar der Herausforderungen des Pensionssystems bewußt wäre, es ihm andererseits aber derzeit wichtiger wäre daß er in den kommenden Jahren in der Arbeitswelt bestehen könne. Diese Aussage kann leicht mißverstanden werden, soll aber keinesfalls heißen, dass eine Zukunftssicherung unwichtig wäre. Es solle aber auch nicht außer Acht gelassen werden, daß das Leben auch im heutigen Arbeitsprozeß zahlreiche Herausforderungen bereithält.
„Zumindest darüber brauche ich mir keine Sorgen zu machen“, war die zwar ehrliche aber vielleicht nicht allzu sensible Aussage von Stammgast Bernhard dazu. Bernhard arbeitet seit vielen Jahren als Pflegehelfer im Geriatriezentrum der Stadt Wien. Mit regelmäßigen Nacht- und Wochenenddiensten hat er zwar einen nicht unbedingt einfachen aber dafür gewiß sicheren Arbeitsplatz. Ich kann es nicht wirklich sagen, was an diesem Abend in unseren Kellner Martin gefahren sein mag als er daraufhin kurz angebunden meinte, daß Bernhard hier „nicht mitreden sollte, da er doch ohnehin in einer Art geschützten Werkstätte arbeiten würde“.
Seltsamerweise wurde diese Aussage unter den Stammgästen überhört oder auch gar nicht wahrgenommen und auch Bernhard reagierte nicht darauf. Die Bezeichnung „geschützte Werkstätte“ ist eine Maßnahme zur Berufsintegration von Menschen mit Behinderung. Es hat mit dem Arbeitsplatz von Bernhard bei der Stadt Wien schlicht und einfach gar nichts zutun. Es stört mich ungemein, wenn hier eine soziale Errungenschaft als abwertende Bezeichnung mißbraucht wird.
Es ist schon richtig, daß Bernhard als Vertragsbediensteter voraussichtlich jene Sorgen um einen Verlust des Arbeitsplatzes nicht kennenlernen wird. Dieser Umstand gilt aber in dieser Form für zahlreiche öffentlich Bedienstete in Österreich. Ich wäre sehr stark dafür, daß die politisch Verantwortlichen sich dazu aufraffen könnten mehr Flexibilität und Effizienz im öffentlichen Dienst zu verankern.
So sehr ich manche Ungleichbehandlungen kritisiere so wenig kann ich aber auch mit pauschalen Urteilen anfangen, wie ich sie zuletzt im „Cafe Steiner“ erlebt habe. Letztlich ist es auch nicht wirklich gerecht, wenn wir die öffentlich Bediensteten wegen eines sicheren Arbeitsplatzes angreifen wollen.
Pedro