Lukas, Teil 2 – Geschichten aus dem Cafe Steiner

Es liegt schon eine Weile zurück, dass ich unter dem Titel „Lukas“ von einer spannenden Unterhaltung mit einem Stammgast im Cafe Steiner erzählt habe. Lukas offenbarte mir damals, dass es ihm belasten würde wenn von einzelnen Mitmenschen das Klagelied besonders aggressiv und lautstark gesungen werde. Er gestand zugleich aber auch ein, dass er sich als friedliebender Mensch oftmals außerstande sehen würde auf diesen Umstand hinzuweisen, was zu mancher Mißinterpretation seiner Person führen könne.

In den vergangenen Monaten konnte ich mich bei den seltener gewordenen Besuchen im Cafe Steiner durchaus noch das eine oder andere mal mit Lukas unterhalten. Dabei stellten wir oftmals fest, dass unsere Sichtweisen zahlreiche Parallelen aufweisen würden. Das zeigte sich nicht insofern, dass wir uns gegenseitig recht gaben, aber doch sehr ähnliche persönliche Erfahrungen erkennen konnten. Es ist mir ein persönliches Anliegen einige Auszüge aus unseren Unterhaltungen anhand von drei Kernfragen darzustellen.

Zu viel oder zu wenig raunzen?
Auch wenn der Begriff des „raunzen“ oder lamentieren durchaus gerne belächelt wird verbirgt sich aus meiner Sicht dahinter ein etwas komplexerer zwischenmenschlicher Themenbereich. Es wäre wohl nicht zielführend, wenn man definieren wollte ab wann zu viel oder zu wenig geraunzt wird. Eine allgemeingültige Trennlinie zwischen Raunzen und kritischer Auseinandersetzung wird praktisch kaum herzustellen sein.

Lukas hatte angeführt, dass er schon beobachten mußte wie sich einzelne Menschen durch ihr Klagelied einen persönlichen Vorteil verschaffen konnten. In wieweit sich daraus ein Kalkül ableiten ließe, kann aber wohl bestenfalls von Fall zu Fall beurteilt werden. Jemand der sich etwa im Berufsleben lautstark über Belastungen beklagt wird eher vor solchen verschont bleiben, als jener der diese still erdudelt.

Wir sollten bestimmt danach trachten unsere Empfindungen in verständlicher und angemessener Form nach außen zu tragen um von unseren Mitmenschen verstanden zu werden. Es hängt viel von der Persönlichkeit jedes Einzelnen ab ob und inwieweit man sich in der Lage sieht dies zu tun. Wobei auch unserem Umfeld ein Mindestmaß an sozialer Intelligenz sowie im Idealfall ein entsprechendes Einfühlungsvermögen abverlangt wird.

Können Probleme einen Unterhaltungswert haben?
Diese Frage wollte Lukas wohl bewußt rhetorisch aufwerfen. „Nein, natürlich nicht“, antwortete ich reflexartig, bevor ich über den Hintergrund seiner Aussage nachzudenken begann. In einer beinahe schon philosophischen Betrachtung, an der sich auch Kellner Martin beteiligte, versuchten wir zu ergründen wie sich die Abhandlung einer Problemstellung in einem Gesprächsverlauf definieren ließe. Dabei stießen wir unbewußt auf die Erkenntnis, dass dies wohl jeder Mensch sehr unterschiedlich sehen wird.

Es ist mir durchaus wichtig, wenn ich Freunde als aufmerksamer Zuhörer bei Problemen unterstützen kann. Zugleich sehe ich diese Situation aber zumeist als Auftrag möglichst an einer konstruktiven Lösungsfindung mitzuwirken. Diese Hilfestellung kann aber in der Regel nur bei persönlichen Herausforderungen eine entsprechende Wirkung entfalten. Ich sehe mich außerstande die Weltpolitik oder unser Gesellschaftssystem zu verändern und ich möchte mich auch nicht gerne über Belanglosigkeiten mitaufregen müssen.

An diesem Punkt befürchte ich die ersten Proteste von euch, liebe Leser. Ich würde doch die Abhandlung von sachbezogene Problemstellungen mit thematischen Diskussionen vermischen. Es liegt aber bestimmt nicht in meiner Absicht eine konstruktive Diskussionsrunde zu weltpolitischen Themen in Frage zu stellen und es tut mir leid, wenn ich diesen Eindruck vermittelt haben sollte. Ich denke und hoffe, dass ich ein guter Diskussionspartner sein kann, doch sehe ich in dem oftmals schon erlebten besonders aggressiven Echauffieren über Menschen, Situationen und oftmals auch Banalitäten nicht einmal den Ansatz einer Diskussionskultur.

Ist es zulässig einem Konflikt aus dem Wege zu gehen?
Einen Aspekt, den ich an einem weiteren Abend mit Lukas erörtern wollte, drehte sich um das vermeiden von belastenden Situationen. Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, dass es äußerst legitim wäre einem Konflikt aus dem Wege zu gehen – wenn da nicht die fehlende Klarstellung der eigenen Position im Raum stehen bliebe. Wenn ich mich einer zu emotionsgeladenen und für mich belastenden Gesprächsrunde wortlos entziehe werden nur wenige Menschen meine Beweggründe verstehen. Wenn ich auch nur ein Quäntchen an Hoffnung haben sollte, dass ich den Menschen meine Sichtweise verständlich machen kann sollte ich dies auch versuchen – ansonsten bleiben ohnehin nicht viele andere Optionen als mich dieser speziellen Gesellschaft weitgehend fernzuhalten.

Lukas hackte ein, dass sich bei ihm die Frage nach den Konsequenzen eines konfliktvermeidenden Verhaltens nicht nur bei Diskussionsrunden, sondern auch im Alltag gezeigt hätten. Es wäre zwar legitim die eigenen Nerven zu schonen, doch würde dies auch oftmals zu einer Übervorteilung anderer führen. Der ausbleibende Widerspruch wird von einem selbstgerechten Charakter durchaus gerne als Zustimmung interpretiert und die subjektive Wahrnehmung rechtfertigt dann auch so manches unfaire Verhalten. Einen optimalen Verhaltenskodex konnten und wollten wir an den Abenden verständlicherweise nicht erarbeiten, dazu sind die Menschen einfach zu verschieden – und das ist auch gut so …

Pedro

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