Vom Umgang mit dem lieben Geld – Geschichten aus dem Cafe Steiner

Die Zeiten als es noch möglich und gar nicht mal so unüblich war im Stammlokal ums Eck „aufschreiben zu lassen“, so die österreichische Redewendung, sind überwiegend schon zu Ende gegangen. Auch im „Cafe Steiner“ würde dies wohl nicht gern gesehen werden, auch wenn sich die Situation noch selten gestellt hat. Wenn man davon absieht, daß vielleicht mal ein Stammgast versehentlich zuwenig Geld eingesteckt hatte wurde die Konsumation von den Gästen soweit mit bekannt immer am selben Tag beglichen.

Eine einzige Ausnahme fällt mir dabei ein, wenn ich etwas länger zurückblicke und von dieser möchte ich euch heute erzählen. Vor etwas über einem Jahr war Alexander, ein junger Mann etwa Mitte Zwanzig, regelmäßig zu Gast im „Cafe Steiner“. Alexander hatte den Start ins Berufsleben aufgrund verschiedener Umstände nicht allzu glücklich gemeistert und hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Auch selbst habe ich mich mit ihm öfters  im Lokal unterhalten und aufgrund seiner kommunikativen Art war es mir rasch möglich einen groben Einblick in die Stationen seines Lebens zu bekommen. Dabei konnte ich mich aber immer weniger dem Eindruck verwehren, daß sein größtes Problem die fehlende Ausdauer für eine bestimmte Sache sein könnte. Einige der zahlreichen Firmen, für die er schon gearbeitet hatte, hielten – so erzählte er mir zumindest – durchaus auf ihm.  Alles hätte seinen Weg gehen können wenn ihm dann nicht doch auf einmal das Interesse verlassen hätte.

Die finanzielle Situation von Alexander, der eine kleine Wohnung im 2. Wiener Gemeindebezirk unweit des Lokales bewohnte, war in der Regel äußerst angespannt. Da er es aber immer mehr genoß wie er unter den Stammgästen des „Cafe Steiner“ aufgenommen wurde war er dann schon annähernd jeden zweiten Tag dort anzutreffen. Es kam hier zweifellos öfters zu der Situation, daß die Rechnung nicht beglichen werden konnte und in diesem Fall zeigten sich Kellner Martin und Kellnerin Monika in Absprache mit der Chefin anfangs sehr kulant und stundeten dem jungen Mann die Zeche. Es stieß zwar ungut auf, als Alexander nun vereinzelt auch Freunde mit ins Lokal brachte die er ebenso einlud, obwohl die Rechnung nicht bezahlt werden konnte. Andererseits wurden die offenen Beträge aber um den Ersten des Monats auch halbwegs verläßlich beglichen. Auch selbst versuchte ich ein einziges mal Alexander auf seinen sorglosen Umgang mit Geld anzusprechen, wo er aber äußerst unzugänglich reagierte und meinte, daß „das Geld schließlich zum Ausgeben da ist“.

Anfang Juni traf ich Alexander etwas zerknirscht im „Cafe Steiner“ an. Die Hausverwaltung hätte ihm mit einer Delogierung gedroht, da er bereits drei Monatsmieten im Rückstand wäre. Von dem offenen Betrag von etwas über 900 Euro könne er selbst nur knapp die Hälfte auftreiben und er wisse nun nicht weiter. Auf die Frage von Kellner Martin, ob ihm nicht seine Familie aushelfen könne bekamen wir zu hören, daß er mit seiner Verwandtschaft seit einem Jahr keinen Kontakt mehr hätte. „Ich könnte dir vielleicht schon helfen, wenn ich wüßte dass ich das Geld auch wieder bekomme“, hörten wir nun Stammgast Josef einen gutgemeinten Stein ins Rollen zu bringen. Alexander war hellauf begeistert und versprach die Rückzahlung innerhalb der nächsten zwei Monate. Der Betrag von 500 Euro wurde noch an diesem Abend übergeben.

In den darauffolgenden Tagen und Wochen war Alexander deutlich seltener im „Cafe Steiner“ anzutreffen, was darauf zurückgeführt wurde, daß er etwas sparen würde um seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können. Als der ausgeborgte Betrag von 500 Euro schon überfällig war und Alexander sich eines Abends doch wieder im „Steiner“ einfand wurde er von Josef natürlich auf die Rückzahlungsvereinbarung angesprochen. Er hätte gerade wieder bei einer neuen Firma angefangen, bekam Josef zu hören, und könne vorerst nur 100 Euro zurückzahlen. Er würde aber den Rest bestimmt im nächsten Monat beisammen haben. Josef war zwar sichtlich verärgert, daß sich Alexander nicht selbst bei ihm gemeldet hatte willigte aber letztlich ein. Die noch offene Rechnung bei Kellner Martin wurde an dem Abend jedenfalls beglichen.

Ab diesem Zeitpunkt war Alexander wie vom Erdboden verschluckt und unter der Rufnummer. welche Josef von ihm hatte, auch nicht mehr erreichbar. Im „Cafe Steiner“ war die Geschichte nun das Tagesthema und die überwiegende Meinung war, daß Josef niemals so gutmütig sein hätte dürfen. Nach drei Monaten erzählte uns Josef, daß er einen Anruf von Alexander erhalten habe und sie sich in einem anderen Lokal getroffen hätten, wo auch die noch ausständigen 400 Euro übergeben wurden. Es tue ihm alles furchtbar leid und er wisse dass er dumme Fehler gemacht habe, soll Alexander versichert haben. Im „Cafe Steiner“ wolle er künftig aber nicht mehr vorbeikommen, dazu wäre ihm die ganze Sache einfach zu unangenehm.

Es war nicht meine Absicht Alexander mit dieser Geschichte zu verurteilen, wenngleich es an seinem Verhalten gegenüber Josef nichts zu beschönigen gibt. Ich hoffe aber stark, daß er mittlerweile seine Fehler eingesehen und den richtigen Weg eingeschlagen hat – das Zeug dazu sollte er haben.

Pedro

Schreibe einen Kommentar