In den vergangenen Jahren habe ich das „Cafe Steiner“ sehr zu schätzen gelernt. Das liegt wohl zweifellos auch an den unterschiedlichen Charakteren die man immer wieder in dem Lokal antreffen und mit ihnen manche bunte Abende verbringen kann. Auch wenn ich mich selbst schon ausgiebig in manche Diskussionen eingebracht habe sehe ich gewiss keine Notwendigkeit mich an jedem Thema zu beteiligen. Von einer solchen Diskussion, die nicht ganz meine Wellenlänge getroffen hat und der ich damit überwiegend als stiller Beobachter beigewohnt habe, möchte ich euch heute erzählen.
Es begann mit einer harmlosen Geschichte, welche Kellner Martin in einer kleinen Runde erzählte. Er hätte sich bei seiner Autoreparatur einiges Geld gespart indem er auf eine Rechnung durch die Werkstatt verzichtet habe. Den Kfz-Mechaniker habe er im Lokal“ kennengelernt und dieser hätte ihm angeboten die Reparatur gegen einen vergleichsweise geringen Obolus außerhalb seiner regulären Arbeitszeit zu erledigen. Natürlich kann man über ein solches Vorgehen geteilter Meinung sein aber ich bin bestimmt auch nicht jener, der ein solches Verhalten anprangern will. Es ist mir schon klar, dass hier ein typischer Fall des umgangssprachlichen „Pfusch“ vorliegt. Ein sinnvolles Vorgehen gehen organisierten Steuerbetrug erscheint mir aber jedenfalls wichtiger als wenn man nun gegenüber Martin etwas scheinheilig den Zeigefinger schwingen würde.
An dem Abend ging mir die Dynamik, welche die Diskussion noch nehmen sollte, aber doch etwas zu weit. So sah Helmut seine Stunde gekommen indem er sich bemüßigt fühlte uns die Lebensphilosophie eines Bekannten vorzustellen. Karl würde schon seit geraumer Zeit die Notstandshilfe beziehen, ginge aber als begnadeter Handwerker zugleich auch regelmäßig im „Pfusch“ arbeiten. „Der Karl, der weiß wie das Leben funktioniert, der lasst sich nicht bescheißen.“, war die Botschaft die Helmut zu vermitteln versuchte. Auch wenn ich dieser Ansicht ziemlich diametral gegenüberstehe enthielt ich mich einer Aussage, da ich mir eine Diskussion mit Helmut sparen wollte. Seine Uneinsichtigkeit hatte ich bereits in vorangegangenen Wortgefechten kennengelernt.
Aber auch andere Stammgäste waren mit dem Bild, dass ihnen von diesem Karl gezeichnet wurde nicht ganz einverstanden. Doch die Einwände, dass es sich hierbei eigentlich um einen Fall von Sozialbetrug handeln würde ließen Helmuth unbeeindruckt. Aufhorchen ließ mich letztlich seine pauschal formulierte Botschaft, dass man eben „Vater Staat schröpfen müsse wo es nur geht“. Nun wurde es auch mir etwas zu heftig und ich ließ mein mir selbst auferlegtes Schweigegelübde fallen. „Und wer ist Vater Staat nach deiner Ansicht?“, wollte ich von Helmut wissen. Eine befriedigende Antwort bekam ich darauf natürlich nicht zurück.
Worauf ich mit meiner Fragestellung hinaus wollte war der Punkt, dass den „Staat zu schröpfen“ doch nichts anderes bedeuten kann als den Steuerzahler vorsätzlich zu schädigen. Und Steuerzahler sind wir doch alle, oder? Es mag sein, dass Menschen wie Helmut in ihrer Sichtweise eine seltsam angedachte Rache gegenüber irgendeiner Obrigkeit sehen. In Wahrheit handelt es sich aber lediglich um eine Unverschämtheit.
Ich habe mir in diesem Zusammenhang die Frage gestellt, woher denn eigentlich diese seltsame Metapher „Vater Staat“ stammt. Es soll sich dabei zumeist um eine liebevoll-ironisch gebrauchte Personifikation des Staates in seiner fürsorglichen, gerechten aber auch strengen Obrigkeit handeln. Wie uns die heute erzählte Geschichte beweist sind aber auch andere Anwendungen am Stammtisch üblich. Selbst hat der Begriff bisher keinen Eingang in meinen persönlichen Sprachgebrauch gefunden und ich denke auch nicht, dass sich daran viel ändern wird.
Vielleicht stößt manchen an meiner heutigen Geschichte auf, dass ich eingangs die nicht versteuerte Autoreparatur von Martin verteidigt und zuletzt diesen gewissen Karl scharf kritisiert habe. Mag schon sein, dass dies manche als subjektive Beurteilung interpretieren könnten. Es hängt für mich aber doch immer sehr viel von der Dimension ab und diese ist für mich bei den beiden dargebrachten Fällen eben doch sehr unterschiedlich ausgefallen.
Pedro