Im Nordbahnviertel, wo ich seit 2009 lebe, fühle ich mich zweifellos sehr wohl. In den nachfolgenden Zeilen möchte ich einen persönlichen Rückblick auf die Wohnungssuche in vergangenen Jahren anstellen …
1989/1990: Die erste Wohnungssuche
Im Sommer 1989 konnte ich – kurz vor dem 18. Geburtstag – meine Schulausbildung abschließen. Die ersten beiden Jobs hatte ich jeweils nach zwei bis drei Monaten aufgrund von nicht ganz so glücklicher Umstände wieder verloren. Aber im Jänner 1990 bekam ich die Chance bei einer kleinen Leasingbank als Operator im Schichtdienst zu beginnen. Dass auch dieses Dienstverhältnis nach sechs Monaten den Rationalisierungsmaßnahmen zum Opfer fallen würde zeichnete sich anfangs noch nicht ab.
Ich lebte zu diesem Zeitpunkt noch bei meinem Eltern, deren Ehe schon die längste Zeit zerrüttet war. Selbst hatte ich die Streitigkeiten wie auch das oftmals tagelang vorherrschende betretene Schweigen zu verdrängen versucht, wenngleich ich darunter litt. Den einzigen Ausweg sah ich darin so rasch wie möglich auszuziehen.
Mein Bruder Robert, der um etwas mehr als sieben Jahre älter war als ich, hatte es kurz vor der Matura nicht anders gehandhabt. Er lebte seit 1982 in einer rund 30 m2 großen Substandard-Wohnung, die ihm auch später als Student der Architektur nur mit geringen Fixkosten belastete. So begann ich dann Ende 1989 dem Vorbild meines großen Bruders zu folgen und die Tageszeitungen nach Wohnungsinseraten zu durchsuchen. Wie es der Zufall so wollte fand sich eine kleine Wohnung, die nur zwei Gassen von jener meines Bruders entfernt lag. Robert war mittlerweile mit seiner Lebensgefährtin in eine Genossenschaftswohnung übersiedelt und die vormalige Wohnung diente als Büro. Ab Februar 1990 wohnte ich dann in einer 23 m2 großen Altbauwohnung, die aus einer kleinen Küche und einem Kabinett bestand. Das WC war am Gang und es gab kein Bad und keine brauchbare Heizung – für die Körperpflege konnte ich aber die nahegelegene Garconniere meiner Oma nutzen.
Die Wohnung war teilmöbliert und ich zog praktisch mit dem Reisekoffer ein. Als Berufseinsteiger hatte ich noch ein etwas dürftiges Einkommen, doch die Miete in Höhe von rund 550 Schilling (heute knapp € 40,-) war leicht aufzubringen. Ich kann mich noch erinnern, dass ein damaliger „Freund“ sich veranlasst sah gehässig anzumerken dass ich seiner Ansicht nach in einem „Loch“ hausen würde. Aber ich hatte das für mich wichtige Ziel erreicht alleine leben zu dürfen. Es war mir schon klar, dass ich hier nicht den Rest meiner Tage verbringen würde und ich sah mich durchaus bereits nach Neubauprojekten in der näheren Umgebung um.
1993: Wohnungszusammenlegung und Sanierung
Das Eckzinshaus aus der Gründerzeit umfasste ursprünglich acht kleine Wohnungen pro Stockwerk mit einer Bassena. Die beiden Nachbarwohnungen waren vermietet, aber nicht mehr bewohnt. Eines Tages, es wird wohl im Jänner 1993 gewesen sein, läutete der pensionierte Herr N., der mit seiner Gattin eine zusammengelegte Wohnung im Haus bewohnte, an meiner Tür. Er wollte mir davon erzählen, dass meine Nachbarin – die schon seit Jahren bei ihrem Sohn lebte – ihre Wohnung aufgeben wolle. Damit war für mich die Gelegenheit gekommen, mit der ich insgeheim auch schon ein wenig spekuliert hatte.
Die beiden kleinsten Wohnungen im 2. Stock könnten zusammengelegt eine Wohnfläche von rund 51 m2 ergäben, wobei die notwendigen Arbeiten einen nicht unerheblichen finanziellen Aufwand bedeuten würden. Auf der anderen Seite beflügelte mich die Vorstellung, dass ich für eine Zweizimmer-Wohnung eine sehr günstige Miete auf Basis der Kategorie D zu zahlen hätte. Auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt schon seit mehr als zwei Jahren in einer Spedition im Schichtdienst beschäftigt war, sah ich meiner beruflichen Zukunft etwas skeptisch entgegen. Es folgte ein Treffen mit meiner Nachbarin und ihrem Sohn, bei welchem ich mich bereiterklärte ihr – unnotwendigerweise – die Möbel aus der Nachkriegszeit mit 10.000 Schilling abzulösen. Die Hausinhabung zeigte sich nach einer (nicht ganz legalen) Ablösezahlung von 20.000 Schilling gerne dazu bereit, der Wohnungszusammenlegung zuzustimmen.
Mein Bruder, der mit Freunden ein kleines Planungsbüro gegründet hatte, unterstützte mich tatkräftig bei der Koordination der notwendigen Arbeiten. Ich beauftragte unter anderem einen Installateur mit dem Einbau von Bad, WC und einer Gasethagenheizung sowie einen Elektriker mit der Erneurung sämtlicher Leitungsanlagen. In weiterer Folge wurde die Wohnung gänzlich neu möbliert – das begann mit der Einbauküche und ging vom Wohnzimmer und Schlafzimmer bis hin zu vielen weiteren Details. Zwecks Finanzierung nahm ich mir einen Kredit auf, der – aufgrund der erfolgten Standardanhebung – zu einem Teil von der Stadt Wien gefördert wurde.
ab 1999/2000: Die Suche nach Alternativen
Ich möchte vorweg erwähnen, dass ich an meine Zeit in der Schröttergasse gerne zurückdenke und dort letztlich auch mehr als 14 Jahre gelebt habe. Trotz der von mir getätgten Investitionen hatte ich alte und undichte Fenster, wodurch die Wohnung im Winter schwer beheizbar war. Da ich aber nicht bereit war weitere Sanierungskosten zu tragen begann ich mich verstärkt für geförderte Neubauwohnungen zu interessieren. Um das Jahr 2000 herum war bei den Neubauprojekten in Wien ein Engpass eingetreten, der für lange Wartelisten bei der Wohnungsvergabe sorgte. So kam es dazu, dass ich zwar für einige Projekte in der näheren Umgebung vorgemerkt war, letztlich dann aber doch nicht zum Zug kam.
Wenngleich ich in Favoriten aufgewachsen bin hatten mich die innerstädtischen Bezirke stets stark angesprochen. Das Problem bestand aber darin, dass in diesen urbanen Bezirken wenig freies Bauland zur Verfügung stand und wenn überhaupt vorrangig Eigentumswohnungen errichtet wurden, die für mich nicht leistbar waaren. Über die Webseite eines Bauträgers wurde ich auf eine etwa 20 Jahre alte Genossenschaftswohnung aufmerksam, die zur Wiedervermietung gelangte. Die Lage in Wien-Landstraße erschien mir optimal, auch die Kosten lagen im Bereich des möglichen. Lediglich der Grundriß und der Ausblick vom 1. Stock in einen kleinen und engen Innenhof waren wohl nicht jedermanns Sache. An der Wohnungsbesichtigung nahmen einige Interessenten teil und da ich der einzige war, der sich spontan für die Wohnung entschieden hatte, konnte ich wenige Tage später schon den Mietvertrag unterschreiben. Noch vor der Übersiedlung kam ich aber – durchaus auch auf Anraten von nahestehenden Menschen – zu dem Entschluß, den Mietvertrag nach einem Monat wieder aufzukündigen.
ab 2002: Wienerberg City
Es galt nun also wieder Ausschau nach Neubauprojekten in den großen Stadtrandbezirken zu halten – auch wenn diese nicht meine favorisierten Wohngebiete waren. Ab 2002 wurde im 10. Bezirk die Wienerberg City errichtet, die nach der Donau City den zweitgrößten Hochhaus-Cluster Wiens bildet. Auf einem nicht wirklich riesigen Grundstück wurden neben den Twin Towers rund 1.200 Miet- und Eigentumswohnungen errichtet und das Projekt von den damaligen Stadtpolitikern besonders gelobt. Die etwas künstlich wirkende Infrastruktur, die enge Verbauung und auch eine bescheidene öffentliche Anbindung werden an der Wienerberg City auch heute noch kritisiert.
Obwohl mir diese Umstände bekannt waren meldete ich mich bei drei verschiedenen Bauträgern für eine geförderte Mietwohnung an. Als ich in der Bauphase im Jahr 2003 vom ersten Bauträger zu einer Planeinsicht eingeladen wurde schloß ich einen Vorvertrag ab. Kurze Zeit später kam das nächste Projekt zur Vergabe und da mir dieses besser gefiel stornierte ich den Vorvertrag und entschied mich vorerst für die Wohnung im Hochhaus. Doch das sollte es noch nicht gewesen sein, denn es folgte schließlich noch die Einladung zu einer Planeinsicht beim dritten Bauträger. Hier wurde mir eine Maisonettenwohnung in Miete angeboten, deren Grundriss mir besonders gut gefiel. Noch einmal wurde ein Vorvertrag kostenpflichtig zurückgezogen und ich entschied mich nun endgültig für letztere Wohnung.
Ich hatte einen nicht unerheblichen Eigenmittelanteil zu entrichten und die Fertigstellung im Sommer 2004 abzuwarten. An den Wochenenden besuchte ich oftmals den Bauplatz und es entstanden die ersten ernsthaften Zweifel, ob ich hier glücklich werden könne. Andererseits traute ich mich aber nicht – nach zwei vorherigen Rücktritten – mein Vorhaben nun ganz fallen zu lassen. Im Juli 2004 konnte ich die Schlüssel meiner neuen Wohnung übernehmen und die Altbauwohnung wurde an den Hauseigentümer zurückgegeben. Der Altbau wechselte später den Eigentümer und wurde mittlerweile generalsaniert.
Ich kann mich noch gut daran erinnern als ich 2004 das erste mal mit durchwegs gemischten Gefühlen in meiner neuen Wohnung am Wienerberg stand. Die für eine 80 m2 Wohnung beinahe riesige Wohnküche und das Konzept einer Maisonette hatten bestimmt ihren Reiz, aber ich spürte insgeheim bereits dass ich hier nicht allzu lange bleiben würde. Dieselbe Wohnung in einer urbanen Lage mit guter Infrastruktur wäre ein Traum gewesen, aber ich befürchtete insgeheim dass ich mich in der Satellitenstadt nicht einleben würde. In diese Gedanken war damals praktisch niemand eingeweiht, doch lässt sich rückblickend beobachten, dass ich etwa bei der Einrichtung – abgesehen von der Einbauküche – doch sehr provisorisch und lieblos agierte. Das hatte schon seinen Grund, wenngleich ich nicht glaube dass dieser Umstand vielen Menschen aufgefallen ist.
ab 2007: Nordbahnviertel
Knapp fünf Jahre habe ich in der Wienerberg City verbracht. Es liegt bestimmt nicht in meiner Absicht diesen Stadtteil schlechtzureden. Ich bin davon überzeugt, dass viele Familien hier weitgehend zufrieden leben und sich mit den von mir kritisch aufgeworfenen Aspekten der Stadtplanung gut arrangieren können.
Schon seit vielen Jahren arbeitete ich in einem Bürokomplex im 2. Bezirk. In unmittelbarer Nähe lag das schon seit Jahren nicht mehr bewirtschaftete Gelände des früheren Frachtenbahnhof Wien-Nord, welches zunehmend verwildert war. Allmählich kam mir zu Ohren, dass hier ein sehr großes Stadtentwicklungsgebiet entstehen solle, welches aufgrund der für mich attraktiven Lage sofort mein Interesse weckte. Ohne zu diesem Zeitpunkt andere Menschen in mein mögliches Vorhaben einzuweihen ließ ich mich schon 2006 bei einem Bauträger für zwei künftige Projekte vormerken. Anfang 2007 wurde ich zur Planeinsicht für das erste bereits im Bau befindliche Projekt eingeladen und schloß einen Vorvetrag ab. Eine etwas skurrile Parallele zur Wohnungssuche am Wienerberg zeigt sich insofern, dass auch hier das letzte Wort noch nicht gesprochen sein sollte.
Ich bin wirklich sehr froh, dass ich im Sommer 2007 meiner Mutter – wenige Monate vor ihrer unvorhersehbaren Krebserkrankung – von meinen Absichten erzählt habe, welche von ihr äußerst positiv aufgenommen wurden. Viele andere Menschen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeweiht, da ich vermeiden wollte mich dadurch unbewußt in eine Richtung drängen zu lassen. Im März 2008 – wenige Wochen nach dem Tod meiner Mutter – wurde dann bei mir ein Hirntumor diagnostiziert und ich musste mich einem chirurgischen Eingriff unterziehen. Unmittelbar nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wurde ich darüber informiert, dass nun auch das zweite Projekt desselben Bauträgers im Nordbahnviertel zur Vergabe gelangen würde. Ich hatte jedenfalls eine Zweizimmer-Wohnung angestrebt und dabei nicht wirklich an eine Maisonette gedacht – doch eine solche wurde mir nun angeboten. Und wenn ich etwas Glück hätte und mich innerhalb von drei Tagen entscheiden würde könnte ich die Wohnung im letzten Stockwerk mit einer relativ großen Terrasse anmieten. Ich kann mich noch erinnern, dass ich – relativ kurz nach der Schädel OP – zusammen mit einem Bauleiter den Rohbau und letztlich auch meine spätere Wohnung besichtigen durfte.
Im Sommer 2009 konnte ich in meine 65 m2 große Maisonettenwohnung im Nordbahnviertel übersiedeln. Bei der Einrichtung war ich deutlich großzügiger als in der vorigen Wohnung und habe beinahe alle Möbel neu angeschafft. Natürlich musste der Mietvertrag in der Wienerberg City aufgelöst werden, wobei in diesem ein sogenanntes Vorschlagsrecht – von mir fälschlich als Rechtsanspruch interpretiert einen Nachmieter nominieren zu können – vermerkt war. Eine Bekannte wäre bereit gewesen die Wohnung zu übernehmen und mir die Einbauküche wertgemindert abzulösen. Als ich mein Vorschlagsrecht ausüben wollte musste ich – auch nach Rücksprache mit meinem Rechtsanwalt – erfahren, dass dieser Passus kaum das Papier wert wäre auf dem er gedruckt ist. Letztlich war ich verpflichtet die Wohnung in geräumten Zustand zurückzugeben.
Abschließende Worte
Wie schon erwähnt fühle ich mich in meiner Wohnung – in der ich nun schon seit zehn Jahren lebe – sehr wohl. Die urbane Lage und die Nähe zur Innenstadt sind für mich wichtige Faktoren, auch wenn hier jeder verständlicherweise andere Prioritäten setzen wird. In den ersten Jahren wollte ich mich zusammen mit Nachbarn als Hausvertrauensperson engagieren, habe dies aber relativ bald wieder bleiben lassen.
Es ist für mich ein wichtiger Grundsatz, dass wir die Vergangenheit möglichst hinter uns lassen und die Zukunft gestalten sollten. Trotzdem war es spannend einige Rückblicke anzustellen – wohlgemerkt aber ohne jeglichem Ärger und Gram …
Diese Zeilen wurden am 29. Mai 2019 ein wenig überarbeitet.